Gestern hatte ich Besuch von einer Freundin. Irgendwann kamen wir auf das Biografie-Projekt zu sprechen: „Macht ihr eigentlich aus jeder Geschichte ein Buch oder lehnt Ihr auch mal ab? Ich wüsste gar nicht, was ich da alles berichten sollte. Soviel Spannendes gab es in meinem Leben nicht! Und überhaupt – ich kann gar nicht erzählen!“
Ich musste lachen. Die wenigsten Menschen können druckreif erzählen. Und sie müssen es auch gar nicht – sonst wäre ja unsere Arbeit gar nicht nötig. Den Erinnerungen mit passenden Fragen auf die Sprünge helfen ist eine unserer liebsten Übungen!
Und dann dachte ich an all jene Geschichten, die ich schon von ihr weiß: Kindertage in West-Berlin und wie sie von einem Tag zum anderen nicht mehr die geliebte Oma in Babelsberg besuchen konnte. Jenes „Fräulein“ Lehrerin, das noch in den 60er Jahren ganz selbstverständlich ein Lineal auf den Händen „unartiger“ Kinder „tanzen“ ließ. Die wilden Jugendjahre in der ummauerten Stadt. Und die dörfliche Nische, die sie schließlich im Schatten der Mauer gefunden hatte und die dann über Nacht verschwunden war…
Was davon kennt ihre in den späten 80er Jahren geborene Tochter? Wir glauben ja immer gar zu gern, dass wir sowieso alles wissen und fragen nicht. Merken dann zu spät, wie wenig es wirklich ist und was alles fehlt! Und erst die Enkel, die irgendwann vielleicht kommen. Könnten die sich solch ein Leben überhaupt noch vorstellen?
Je länger wir zusammen saßen, umso mehr Episoden fielen uns ein. Es wurde eine lange spannende Nacht.
Und vielleicht wird es ja wirklich auch ein neues Buch, ein Lese-Buch oder ein Hörbuch.